„Alles hat seine Zeit“, dies Wort aus dem Buch des Predigers Salomo im Alten Testament liebe ich seit Studienzeiten. Für mich strahlt dies Wort eine große Gelassenheit und Weite aus. Alles ist auf geheimnisvolle Weise in einem Höheren und Größeren aufgehoben. Die unterschiedlichen Phasen und Erlebnisse des Lebens werden schlicht nebeneinander gestellt:
lieben und hassen, streiten und versöhnen, bauen und einreißen… Es wird nicht gewertet und gewichtet. Die Dinge sind wie sie sind. Alles hat eine bestimmte Zeit. Nichts ist für die Ewigkeit.
Ich stehe oft quer dazu. Mir fällt es schwer, Phasen, Menschen und Zeiten loszulassen. Ich möchte gerne festhalten, Dauer bewahren. Hier kommt der Prediger Salomo und sagt: Schwing dich in die Zeit hinein, in ihre Bewegungen, in ihre Fülle, in ihre Veränderung, in ihr Vergehen… Das kann ich gut gebrauchen. Das will ich mir gern sagen lassen. Nun kommt der Herbst. Nach dem Aufblühen des Frühlings und dem Reifen des Sommers hat er nun seine Zeit. Die Predigt des Predigers sagt mir: Nimm sie an, ergreife sie. Vielleicht so: Schalte einen Gang herunter, setz dich hin, nimm dir ein Buch, oder setz dich mit anderen zusammen, rede, höre. Draußen ist es jetzt oft nicht so einladend, lade dich und an-dere in eine gute Atmosphäre im Hause ein. Es gibt schöne Düfte, schöne Musik, Zeit um durchzuatmen, denn draußen kannst du jetzt nicht immer herumlaufen.
„Alles hat seine Zeit“ – davon wird uns jemand im November predigen, der wirklich etwas zu sagen hat: Rainer Barzel. Ein Leben mit Erfolgen, Enttäu-schungen, Freude und mindestens ebensoviel Kummer. Ein Leben großer Herausforderungen. Was wird die Stimme des Predigers Salomo in ihm anrühren? Wie wird er es uns erzählen? Lassen wir uns also vom Prediger Salomo in den Herbst hineingeleiten. Er kann uns eine neue Seite dieser Jahreszeit aufschließen.
Das wünsche ich Ihnen und mir.
Ihr Pastor
Benedikt Kleinhempel