Papier und Bier im Oher Osten

Historische Streiflichter aus Sachsenwaldau (2)
Wir schreiben das Jahr 1740. In Großbritannien und einigen Regionen des Festlandes sind die ersten Vorboten der kommenden Industrialisierung sichtbar, aus europäisch-amerikanischen Studierstuben kündigt sich der Geist der Aufklärung an. Und schon bald werden amerikanische und französische Revolutionäre
elementare Bürgerrechte erkämpfen.
Im stormarnschen Ohe geht es beschaulicher zu, aber auch hier gibt es Erfreuliches. So erhält 1740 ein gewisser Johann Wohlers die Genehmigung, an der Bille-Mündung des Baches, der die Teiche östlich von Ohe mit Wasser versorgt, eine Papiermühle zu errichten.
Diese wird dann von Wohlers von 1745 bis 1787 betrieben. Ihm folgen Franz Albrecht Wohlert (1787-1807), Claus Rheder (1810-1838), Johann Christian Friedrich Gerdau (1838-1849), Hans Hinrich Ohl (1849-1851), Georg Joachim Suck (1851-1853) und Hinrich Werstler (1853) nach.
Der genaue Standort der Mühle dürfte sich am Ufer des östlich aus dem Teich kommenden Baches befunden haben. Die kleinen Teiche, so die gängige Theorie, dienten wohl schon den Nonnen des Klosters Reinbek als Fischteiche.
Doch das ist über 500 Jahre her, und das Frauenkloster hat sich bereits im April 1529 aufgelöst.
Das Dorf Ohe und seine Bauernvögte Ohe findet 1238 erstmalig Erwähnung, als Adolf IV. von Holstein-Schauenburg das Dorf dem Kloster Reinbek schenkt. Mit dieser
Schenkung löst Adolf IV. ein Gelübde ein, das er vor dem Sieg über die Dänen 1227 bei Bornhöved ablegte.
Im Gefolge des Klosterverkaufs geht Ohe 1529 an Friedrich I. von Dänemark. Die Oher unterstehen jetzt dem Amt Reinbek und müssen Hand- und Spanndienste leisten. Der Dreißigjährige Krieg von 1618 bis 1648, in dem die kaisertreuen Truppen unter Wallenstein und Graf Tilly auch in Stormarn plündern und brandschatzen, bedeutet fast das Ende der kleinen Siedlung. Es gibt nur noch 50 Einwohner, doch nach Kriegsende wird wieder neu aufgebaut.
Bis Mitte des 19. Jahrhunderts steht jedem Dorf dieser Region, auch Ohe, ein Bauernvogt vor. Das Amt, es ähnelt dem eines Dorfschulzen, wird meist in der Familie weitervererbt. Doch in manchen Dörfern, zu denen auch Ohe zählt, ist das Amt an einen Grundbesitz respektive einen Hof gekoppelt. In Ohe genießt die Anderthalbhufe Nr. 1, verbunden mit dem größten Bauernhaus des Dorfes, über 200 Jahre diesen Status. Später stellt die Hufe Nr. 3 mit der sogenannten „Herrenkate“ den Bauernvogt. Die entsprechende Umwidmung organisiert gegen Ende des 18. Jahrhunderts ein gewisser Diederich Willink, der sich das bemerkenswerte 16.000 Mark kosten lässt.
Trotzdem kommt es auch in den nächsten Jahren zu weiteren Versuchen, die Verknüpfung bestimmter Hufe mit dem Amt des Bauernvogts zum eigenen Vorteil zu verändern, was die Attraktivität des Amtes beweist. Doch am Ende scheitern alle Bemühungen, es bleibt bei der Hufe Nr. 3.
Eine Krugkate nahe der Papiermühle Zur Attraktivität des Bauernvogt-Amtes trägt das Privileg bei, recht einfach an eine lukrative „Kruggerechtigkeit“ zu kommen – also an eine Konzession für eine Schankwirtschaft. Genau das gelingt 1761 dem Oher Bauernvogt Joachim Schippmann für ein Grundstück nahe der Papiermühle. Schippmann wird eine Krugkate bauen, die auch als Herberge dient. Denn das Grundstück liegt recht günstig am Kurierweg vom Reinbeker zum Trittauer Schloss, der zumeist von Eilboten,fahrendem Volk und Händlern benutzt wird. Allerdings muss Schippmann zwei Auflagen erfüllen. Zum einen die Einrichtung einer Schmiede – für eine Raststation dieser Zeit eher selbstverständlich.
Zum anderen die Bestellung des Bieres bei der Reinbeker Amtsbrauerei . Auch das stellt keine große Hürde dar.
Einige Jahre später, 1797, werden die Grundstücke der Papiermühle und der Krugkate zusammengelegt. Verantwortlich zeichnet der bereits erwähnte Diederich Willink, ein umtriebiger Altonaer Kaufmann und Reeder, geboren am 25. August 1750 in Hamburg. Willink gibt dem gesamten Mühlen- und Katen-Areal den Namen „Mühlenbek“. Es ist für ihn ein Landsitz, der am Wochenende schnell erreicht werden kann, da er nur zwanzig Kilometer von Altona entfernt liegt. So berichtet es jedenfalls sein Enkel, der Kaufmann Heinrich Witt (1799-1892), in seinen Tagebüchern.
Der Name „Mühlenbek“ muss Willink schon länger im Kopf herumgespukt haben. Das lässt jedenfalls eine interessante Anekdote aus Willinks Handelsgeschäft vermuten. Denn der Reeder Willink wollte schon recht früh über die „Dänisch-Asiatische Kompanie“ (Danske Asiatiske Kompagni) in den China-Handel einsteigen. Bereits im November 1782 ließ er eines seiner Schiffe, geführt von Kapitän Moederoe, Kurs auf Ostindien und Kanton nehmen. Doch das Schiff, gestartet in Altona, havarierte und musste London anlaufen, wo die Expedition beendet wurde. Der Name des Schiffes: „Mühlenbeck“.
Ein Alterssitz wird Mühlenbek dennoch nicht. Willink stirbt am 25.März 1822 auf dem Gutshof Raguth im Mecklenburgischen, der 1808 in seinen Besitz wechselt.
Aus Mühlenbek wird Sachsenwaldau. Die Mühlen- und Krugkaten-Phase währt über hundert Jahre. 1853 wird die Mühle abgerissen. 1902 erwischt es auch die Krugkate, die einem Brand zum Opfer fällt. Ersatz bietet bald ein neuer Gasthof in Ohe, der ab 1914 von der Familie Bohlens („Zur Linde“) betrieben wird.
Letztere schließen erst hundert Jahre später in dritter Generation die Pforten.
1867 nennt der neue Besitzer, Major von Krieger, das mit einigen Nachbargrundstücken angereicherte Mühlenbek-Gelände „Sachsenwaldau“, welches nun gutshof-ähnliche Züge annimmt und einen sehr prominenten Nachbarn bekommt. Dazu mehr in der nächsten Folge der Streiflichter-Serie.
Bernd Engel für Fördern & Wohnen

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